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2024, Geschichtskulturelle Transformationen. Kontroversen, Akteure, Zeitpraktiken
Postkolonialismus, land acknowledgment, Society of Classical Studies, critical whiteness, das nächste Fremde
Hermes 130, 2002
Vor beinahe 50 Jahren veröffentlichte HARTMUT ERBSE in dieser Zeitschrift einen Beitrag zur Bedeutung der synkrisis in den Parallelbiographien Plutarchs, der einen grundsätzlichen Wandel im wissenschaftlichen Zugang zu den vitae parallelae bewirkt hat 1 . Galten die synkriseis bis dahin lediglich als oberflächliche Schlußbetrachtungen oder gar als »öde rhetorische Antithesendrescherei« 2 , so hat ERBSE zeigen können, daß sich ihre Funktion keineswegs darauf beschränkt, Doppelbiographien aus unterschiedlichen Kulturkreisen und in der Regel auch unterschiedlichen Epochen mehr oder weniger notdürftig zusammenzuhalten. Vielmehr schlägt sich Plutarchs Vergleichsmethode -über ein starres Formprinzip von vitae parallelae, gemeinsamen Proömien und abschließenden synkriseis hinaus 3 -in einer durchgängig angewandten und ausgefeilten Erzähltechnik nieder, die ganz wesentlich die innere Struktur der Einzel-Viten wie auch ihre Anordnung als Doppelbiographien bestimmt.
Vergesst Kultur -wenigstens für einen Augenblick! Oder: Zur Vermeidbarkeit der kulturtheoretischen Engführung ethnologischen Forschens 1. Zur Vermeidbarkeit der kulturtheoretischen Engführung ethnologischen Forschens In der ersten Ausgabe der 2007 gegründeten Zeitschrift für Kulturwissenschciften, die sich nichts weniger als das Ziel gesetzt hat, das im deutschsprachigen Raum schnell wachsende, disziplinär sehr heterogene, von den Ethnologien bis hin zu den Sprachwissenschaften reichende Feld der sich unter der Perspektive "Kultur" versammelnden Fächer zu repräsentieren, erschien eine Polemik Chris Hanns, einer der Direktoren des Hallenser Max-Planck-Institutes für Ethnologie, in der er für die Abschaffung des Kulturbegriffes plädierte. Hanns Kernargument in meinen Worten: Die nicht zu ziehende, tief in der deutschen Romantik sitzende Wurzel des Kulturbegriffes führe dazu, dass seine Verwender in einem "hermeneutischen Idealismus" verfangen blieben und materiale, soziale und ökonomische Zusammenhänge der Lebenswelt der in ihren Forschungsfeldern Lebenden sträflich vernachlässigten (Bann 2007). Weiter sei fraglich, ob der theoriegeschichtliche Stammbaum des Kulturbegriffes vor allem in der US-amerikanischen Ethnologie, ausgehend von Bastians Kulturkreislehre über Boas' Verständnis der Kultur als Totalität, Ruth Benedicts Kulturrelativismus bis hin zu Geertz' Kulturhermeneutik überhaupt geeignet sein könne, die "Dynamiken einer sich stets in Bewegung befindenden und zunehmend transnationalen Welt zu erfassen", in der verstärkt Austausch-und Transferprozesse in Rechnung gestellt werden müssten (Bann 2007: 130
Die Komposition der 'Sintflut' ist gleich Null; der 'Untergang Messinas' wäre würdig, zum Plakat für ein Kinematographentheater verarbeitet zu werden ... Und trotz allem hat Beckmann das Zeug dazu, etwas Großes zu leisten!" 1 Roben Schmidts im Jahre 1909 formulierte Kritik an den beiden melodramatisch-kolportagehaft gestimmten Historienbildern prägt in ihren negativen wie positiven Aspekten unser Beckmann-Verständnis bis heu te. Das Frühwerk gilt als zuweilen etwas geschwätziger Vorläufer eines Oeuvres, das erst in den Arbeiten der 20er bis 40er Jahre wirklich zur Entfaltung kommt. Es wird als spätnaturalistische Ausformung einer spezifisch deut schen Imagination begriffen, die dann in den folgenden Jahrzehnten einen magischen Realismus anstrebt, welcher sich durch eine verwickelte Kombination von Mythologie und Zeithistorischei Reflexion auszeichnet. Bei diesem Umbruch soll die traumatische Erfahrung des Ersten Welt kriegs eine entscheidende Rolle gespielt haben. 1 Max Beckmann, Aulerstehung, öl aul Leinwand, &50 x 200 cm. 1908/09. (Siuttgari, Siaabgalerie) Es bereitet kaum Schwierigkeiten, Gründe für diese Ein schätzung zu finden. 2 Allzu wenig wollen die monu mentalen Werke der Frühzeit in den Horizont der tri umphierenden Avantgarden passen, allzu deutlich setzt sich Beckmann von deren Abstraktionstendenzen ab. Das findet seinen Miederschlag vor allem in dem 1912 aufgetragenen Streit mit Franz Marc, in dem Beckmann der Vergeistigung des anerkannten Modernisten eine Konzeption entgegensetzt, die geprägt ist von der Lebensfülle einer wirklichkeitsgesättigten Malerei. Raum haltig-organische Form stellt er in dieser an der Scharnierstelle zwischen gegenständlich gebundener Tradition und ungegenständlicher Innovation angesie deilen Auseinandersetzung gegen den "inneren Klang" des Kandinsky-Freundes. 3 Die orgiastischen Formen des frühen Cezanne und der existenziaiistische Gestus van Goghs imponieren dem von George Grosz später nicht ganz grundlos als "wildgewordener Feuerbach*' 4 titu lierten Beckmann entschieden mehr als die Flächen kunst eines Matisse, die er verächtlich "Dekorationsma lerei" nennt. 5 (Abb. 1) Mit der 'Auferstehung' aus den Jahren 1907/09 soll eine Arbeit diskutiert werden, deren retrospektiver, wenn nicht reaktionärer Charakter auf den ersten Blick einzuleuchten scheint. Neben der Kornposilionswei se verleitete wohl schon die schiere Grüße von exakt 10 qm bemalter Leinwand den zitierten Roben Schmidt zu dem despektierlichen Urteil, es handele sich um "eine geschmacklose Rubensimitation" . 6 Dazu dann noch der Stoff: Ist schon die christliche Ikonographie an sich keine Materie, der man in einem säkularisierten Zeitalter allzu große Erneuerungspotentiale zugestehen mag. so gilt das für ein Thema wie dem der Auferstehung in um so höherem Maße. Konnte das 19. Jahr hundert jenseits der im engeren Sin ne kirchlichen Kunst viele biblische Erzählungen immerhin dadurch noch wiederaufgreifen, daß es dem Zeit geist entweder durch hisloristische Gestaltung huldigte oder den menschlich-anrührenden Kern dieser Erzählungen herausschälte, so fällt bei dem apokalyptischen Gegen stand selbst diese Option noch weg. Im Gegenteil, das Sujet lebt ja gerade von seiner Überweillichkeit. von all dem. was sich nicht in diesseitig humanen Kategorien denken läßt. Nichtsdestoweniger werde ich hier die These vertreten, daß Beckmann mit seinem Auferstehungsbild eine spezifisch moderne Darstellung gelang, die sensibel auf verschieden ste Einflüsse der Zeit um 1900 rea gierte. Modern allerdings in einem Sinn, der sich absetzt vom Königs weg der Moderne, so wie eben auch der spätere Beckmann eine Alternati ve zu den geläufigen Entrealisierungstendenzen der Avantgarde zu bieten 135 d& mural?' i^S 141 das roürslei 3/98
2018
Vor 45 Jahren, im Mai 1973, wurde im Deutschen Museum in München der monumentale Abguss des Westgiebels vom Zeustempel in Olympia demontiert. Um den Abbau der Kentauromachie gab es in der Lokalpolitik, in der Münchner Bevölkerung und in der Archäologen-Welt unzählige Diskussionen. Dann wurde es ruhig um die Figuren, sie gerieten aus dem Blick der Öffentlichkeit, wurden unsichtbar: Man lagerte sie ein in Depots und auf Speichern des Museums für Abgüsse Klassischer Bildwerke. Nun aber, fast ein halbes Jahrhundert später, ist es gelungen, die Abgüsse wieder ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Als Dauerleihgabe in einem Münchner Gymnasium sollen sie veranschaulichen und sehen lehren, und dies in doppelter, realer und virtueller, Präsenz.
Julia Bee, Lilli Hallmann, Franziska Klemmstein, Jannik Noeske (Hg.): Auf dem Weg zum Erinnerungsort – das Gebäude der NS-Medizinbürokratie in Weimar, Weimar 2024, S. 94-106.
›Siedlung‹ als idealisierte Form des Zusammenlebens und ›Besiedlung‹ als Akt der territorialen Umformung und des Austauschs von Bevölkerung waren zentrale Motive nationalsozialistischer mit Vorstellungen von ›gesunden‹ Lebensformen und einer Siedlungsstruktur unter dem Primat einer rassistisch verstandenen Hygienisierung. Verschiedene Darstellungen der Bleiglasfenster zeigen eine Stilisierung der bäuerlichen Kleinsiedlung als Hort von zentralen Werten des NS. Dazu gehörten Unterordnung, Tüchtigkeit und die menschenfeindlichen Vorstellungen ›(erb-)gesunden‹ Lebens, die unter den Schlagwörtern ›Blut und Boden‹ ideologisiert wurden. Die Fenster zeigen die Verbindung siedlungs-und gesundheitspolitischer Zielstellungen. Thüringen sollte auch in dieser Hinsicht einen ›Mus-tergau‹ darstellen. So wurden auch in Thüringen bereits ab 1933 sogenannte Heimstätten für kinderreiche, als arisch bezeichnete Familien errichtet, Spätestens mit den Plänen für die gewaltsame Inbesitznahme und Besiedlung ganzer Gebiete in Osteuropa legitimierte diese Vorstellung die Diskriminierung und Vernichtung der Bevölkerung ganzer Landstriche.
Marburger Winckelmann-Programm, 2020
For decades there is a fierce controversy on two topics closely related to each other. One of them is the hypothesis expressed by George Bean und John Cook in 1952 that the known Knidos at Tekir near Cape Krio, the promontory of the Knidian peninsula, has been founded only in the mid-4th century BC. Prior to that, the city would have been further east and to be identified with the ruins of Datça-Burgaz. This hypothesis found acceptance and opposition which was as persistent as the discussion of the problem of the localization of the Triopion, the federal sanctuary of the Doric Hexapolis dedicated to Apollon Triopios: either in Knidos-Tekir or in the sanctuary of Emecik in the east of the Knidian peninsula. In doing so the researchers working at the respective sites use to identify their excavation with both Old Knidos and the Triopion: the ones place both at Cape Krio/Tekir, the others in Burgaz and Emecik. A critical review of the respective arguments and a fresh view of the archaeological finds and contexts clear the way towards an interpretation that solves all former problems.
Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte Blaubeuren 16, 95-101., 2007
Er ist ein Weltreisender, der in der gesamten menschlichen Welt in ihren ganzen geographischen und zeitlichen Dimensionen beheimatet ist. Forschung und Lehre haben ihn in die Arktis westlich und östlich der Beringstraße und die Tropen von Amerika bis Asien geführt, mit kleinen Abstechern auch nach Afrika (Abb. 1). Er ist Experte für die gesamte Breite steinzeitlichen Lebens vom Altpaläolithikum bis zur Ethnoarchäologie lebender Jägervölker, weiß aber auch mit metall-und römerzeitlichen Resten umzugehen. Seine nicht nur von Studierenden als eine Art zusätzliches Studium generale besuchte Vorlesung "Ur-und Weltgeschichte" beendete er mit einer Sitzung über die Zukunftsperspektiven der Fachrichtung einschließlich der Weltraumarchäologie. Er ist jedoch kein Bewohner wissenschaftlicher Elfenbeintürme und deutet nicht nur Vergangenes. Als Welt-Bürger im besten Sinne versucht er, Einfluss auf den Gang der heutigen Welt zu nehmen und mischt sich daher in aktuelle gesellschaftliche Prozesse ein -nicht immer zu jedermanns Freude: bei der Unterstützung bedrohter Jägervölker, bei der Auf-Abb.
2025
Sic semper tyrannis. Die Ermordung von Julius Caesar. Der Tod von Commodus.Das Politische Attentat in der Kunst (Band 2) Die Iden des März sind da!Da sind sie, aber noch nicht vorbei.Sueton, Divus Caesar 81,2Historische Textquellen überliefern uns ein Bild des Attentats gegen Julius Caesar, der den Anhängern der römischen Republik als Tyrann galt. Spezielle Münzen von Brutus feierten den Mord als Freiheitstat und haben eine Symbolik geschaffen, die später immer wieder repliziert wurde. Der Mord hat auch seine Spuren in der Kunstgeschichte und im Drama hinterlassen. Unser heutiges Bild der Iden des März ist durch das Drama von William Shakespeare geprägt. Die Iden des März sind nicht nur ein historisches Datum, sondern ein Symbol für den Widerstand gegen Tyrannei und die Komplexität politischer Machtspiele. In diesem zweiten Band der Reihe beleuchten wir das berühmte Attentat auf Julius Caesar, das in den Augen seiner Gegner als notwendiger Akt der Befreiung von einem selbsternannten Tyrannen galt. Historische Textquellen, wie die Schriften des Sueton, Plutarch, bieten uns wertvolle Einblicke in die Motive und Umstände dieses verhängnisvollen Tages.Besondere Münzen, geprägt von Marcus Brutus, zelebrierten den Mord als heroischen Akt und schufen eine Symbolik, die durch die Jahrhunderte hinweg immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert wurde. Darüber hinaus hinterließ der Mord an Caesar tiefgreifende Spuren in der Kunstgeschichte und im Drama.Das Attentat auf Kaiser Commodus wird in antiken Quellen regelrecht als Notwehr dargestellt, da der Kaiser selber eine Proskriptionsliste erstellt hatte. Die vorgesehenen Opfer handelten schneller...In diesem Band untersuchen wir die vielschichtigen Verbindungen zwischen Geschichte, Kunst und Politik und laden den Leser ein, die komplexen Dynamiken zu erforschen, die das politische Attentat sowohl in der Antike als auch in der modernen Rezeption umgeben. https://www.amazon.de/dp/3818782105/ ISBN: 978-3818782108
Formen römischer Geschichtsschreibung von den Anfängen bis Livius. Gattungen, Autoren, Kontexte, 2003
Die berühmte Inschrift, die an der columna rostrata des C. Duilius angebracht war, rief dem Leser die glänzende Bilanz ins Gedächtnis, auf die Duilius am Ende seines Konsulats i.J. 260 zurückblicken konnte. 1 Zunächst wurden seine militärischen Erfolge aufgezählt (1-12), sodann in buchhalterischer Manier die reiche Kriegsbeute aufgelistet (13-15), am Ende die Großzügigkeit gepriesen, die Duilius gegenüber dem römischen Volk in seinem Triumphzug an den Tag gelegt hatte (16-18). Wie im Elogium vom Augustusforum 2 wurde besonders vermerkt, dass Duilius gleich mehrere Ruhmes-* Dokumentierte Fassung des Trierer Vortrages, der zuvor bereits an den Universitäten in Münster und Bochum gehalten wurde. Den jeweiligen Publica danke ich für anregende Diskussionen. Wertvolle Hinweise verdanke ich außerdem Harriet Flower, Karl-Joachim Hölkeskamp und Uwe Walter. -Zählung der Fragmente nach AR I/FRH I. 1 Inscr. It. 13.3, Nr. 69 (danach die Ergänzungen) = ILLRP 319 = ILS 65 = CIL I 2 25 = VI 1300 und VI 8,3 1300 Add., dort auch die wichtigste Literatur der langen Forschungskontroverse um die sprachlichen Untiefen. Die schon von Mommsen vertretene Auffassung, das Zeugnis sei eine antiquarische Fälschung augusteischer Zeit, hat sich nicht durchgesetzt (vgl. ROL IV 128-129); grundlegend ist neben Degrassis Kommentar immer noch T. Frank, CPh 14 (1919) 74-82, wonach das Dokument im Kern auf die Zeit des Duilius zurückgeht, bereits um d.J. 150 aber eine erste Restaurationsfassung angefertigt wurde (vgl. noch Quint. inst. 1,7,12): [Consol Secest]ano[s, socios p(opli) R(omani), Cartaciniensiom | opsidione]d exemet lecione[sque Cartaciniensis omnis | m]aximosque macistr[a]tos l[uci palam post dies | n]ovem castreis exfociont Macel[amque opidom | 5 p]ucnandod cepet. Enque eodem mac-[istratud bene | r]em navebos marid consol primos c[eset copiasque | c]lasesque navales primos ornavet pa[ravetque] | cumque eis navebos claseis Poenicas omn[is item ma-| x]umas copias Cartaciniensis praesente[d Hanibaled] | 10 dictatored ol[or]om in altod marid pucn[ad vicet] | vique nave[is cepe]t cum socieis septer[esmom I, quin-| queresm]osque triresmosque naveis X[XX, merset XIII. | Aur]om captom numei (tria milia septingentei), | [arcen]tom captom praeda numei (centum milia) [---;| 15 omne] captom aes (inter undetricies et tricies quater centena milia). | Triump]oque navaled praedad poplom [donavet | multosque] Cartacinie[ns]is [ince]nuos d[uxit ante | curum ---]eis [---] capt[---]. 2 Inscr. It. 13.3, Nr. 13 (mit Abb.) = ILS 55 = CIL I 2 p.193 Nr.11 = VI 8,3 40952 (Foto und umfassende Lit.): [---] navis oc[--|-c]epit. Pri[m]us d[e Poeneis n]aval[em |
Goettingen Research Online, 2023
Seit der Ausstrahlung seiner achtteiligen Netflix-Serie Ancient Apocalypse (Nov 2022ff); auf Deutsch: „Untergegangenen Zivilisationen auf der Spur“) ist ein intensiver Streit um die unorthodoxe Geschichtsschau entbrannt, die der alternative Sachbuchautor Graham Hancock darin erneut vorgelegt hat (vgl. zuvor v.a. sein Buch Fingerprints of the Gods, 1995, und ähnliche Publikationen in der Folgezeit). Diese Auseinandersetzung wird momentan (Februar 2023) meist mit großer Polemik geführt. Tiefer gehende Analysen von wissenschaftlicher Seite ließen aber bislang auf sich warten – ganz analog wie einst im Falle Erich von Dänikens und der Prä-Astronautik. Der nachstehende Aufsatz ist daher ein Versuch, Hancocks Darstellung aus kultur- und religionswissenschaftlicher Perspektive genauer zu analysieren, seine Interpretationsmethoden zu identifizieren und seine Quellen in ihren jeweiligen Kontexten (und seinen Umgang mit ihnen) zu überprüfen. Hierzu wird zunächst eine eingehende Analyse von Graham Hancocks Episode Zwei unternommen und im Anschluss daran wird Hancocks Quetzalcoatl-Erzählung auf ihre empirische Tragfähigkeit und Plausibilität überprüft – sowohl im Film als auch in seinen schriftlichen Publikationen. Wie sich im Verlauf dieser Analyse zeigen wird, erweist sich Hancocks methodisches Vorgehen stets als höchst problematisch, da er seine ganz eigenen Deutungsmuster immer wieder – ohne eingehendere Prüfung – vorschnell auf seine Quellen projiziert und mit ausgesprochen unsauberer und fehlerhafter Belegpraxis arbeitet. Seine Deutung Quetzalcoatls (bzw.: der Person Ce Acatl Topiltzin) beruht zudem auf der christlich-kolonialzeitlichen Fiktion eines angeblich „weißen“ und „bärtigen“ Kulturheroen, die nichts mit den vorspanischen Quellen zu hat. Mit diesem christianisierten Konstrukt enteignet Hancock letztlich die Quetzalcoatl-Traditionen, und – wie sich zeigen wird – er verfälscht sie zusätzlich durch weitere fremde Elemente und ignoriert wichtige, seinen Thesen zuwiderlaufenden, empirische Befunde. Hancock hinterlässt auf diese Weise auf allen Quellen und Artefakten, die er ‚in die Hand nimmt‘, seine eigenen Fingerabdrücke, die ihn bei genauerem Hinsehen meist als ausgesprochen manipulativen ‚Täter‘ entlarven: Sein Zugriff auf Quellen erweist sich als fehlerhaft, unsauber und höchst selektiv. – Die Folgerung, die sich am Ende nahezu zwangsläufig ergibt, lautet: Man sollte Hancock nicht als realitätshaltigen ‚Forscher‘ lesen, sondern als einen Fiction-Autor – genauer Science-Fiction-Autor, der seine fiktionale „Phantastische Wissenschaft“ aber in der Gestalt einer ‚wissenschaftsartig‘ gestalteten Publikation (mit Fußnoten und Quellenbelegen) vorlegt. Faktisch treffen auf seine Deutungen aber sämtliche Vorbehalte zu, die schon gegenüber Erich von Däniken und der Prä-Astronautik formuliert wurden. Bei Hancock tritt das verschärfte Problem hinzu, dass er auf der Basis seiner gefälschten, ‚weiß-gewaschenen‘ kolonialzeitlichen Quetzalcoatl-Figur eine ‚kulturelle Enteignungserzählung‘ betreibt, die an typische White Supremacy-Milieus direkt anschlussfähig ist. Daher ist zu fragen, was die Attraktivität dieser Erzählung mit ihren ‚intramundanen Aliens‘ überhaupt ausmacht, da er mitunter nicht einmal journalistische Standards sorgfältiger investigativer Recherche erfüllt.
Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 8, 2005
DIEGESIS. Interdisziplinäres E-Journal für Erzählforschung/Interdisciplinary E-Journal for Narrative Research, 2024
Rezension zu: Byung-Chul Han: Die Krise der Narration. Berlin: Matthes&Seitz 2023 (= Fröhliche Wissenschaft 217). 100 S. EUR 12,-. ISBN 978-3-7518-0564-3.
2020
Als Max Beckmann zwischen 1937 und 1939 die "Akrobaten" malte, balancierten die Artisten im Circus nicht mehr auf dem Seil. Sie lebten darauf und die trinkend musizierenden Clowns, die ihre Sektflaschen umarmen, konnten das Publikum nicht mehr zum Lachen bringen, denn sie hatten das Zelt bereits leergespielt während der jungen Verkäuferin mit den Süßigkeiten nichts anderes übrig blieb als sich ratlos hinzusetzen angesichts der Ursache des ganzen Uebels: ein Krieger der bedrohlich mit einer Lanze im Raum stand. Und als Beckmann 1942 die bekannte Idylle mit den "vier jungen Männern am Meer" malte, wurden die von den Nationalsozialisten besetzten Europäischen Küsten in Festungen gegen die Landung der Alliierten verwandelt, während die Briten und die Exilregierungen von London aus mit dem Widerstand im Untergrund deren Landung vorbereiteten. Max Beckmann selbst gab uns aber zu seinen Bildern nur viele oft zitierte verschlüsselte Kommentare, so sei hier nur einer davon festgehalten: "Ich suche aus der gegebenen Gegenwart die Brücke zum Unsichtbaren". Das "Unsichtbare" aus der gegebenen "Gegenwart" musste er immer wieder von Neuem erfinden und hat uns das mit einer faszinierenden intellektuellen sowie künstlerischen Leistung hinterlassen, aber nur aus der erfassbar "gegebenen Gegenwart" konnte seine Malerei und kann Malerei überhaupt entstehen. Und diese "Gegenwart" war das Europa während und unmittelbar vor dem Krieg, als sich das Unheil anbahnte und das Überleben für einen entarteten Künstler, der offiziell bereits am Pranger stand wie Max Beckmann und Deutschland verlassen musste, zur akrobatischen Leistung werden sollte. In dem Aufsatz wird versucht, Beckmanns Brücke aus dem "Unsichtbaren" wieder zurück in "seine Gegenwart jener Zeit" zu finden.
Zwischen „Südsee“ und „Sea of Islands“, Ozeanien in visueller Selbst- und Fremdrepräsentation. Institut für Kultur- & Sozialanthropologie, Universität Wien. , 2023
Decolonising the Archive-deals with the so-called "Hamburg South Sea Expedition 1908Expedition -1910 -and -and focuses on the representation of the scientists in relation to that of the indigenous societies they attempted to explore. This representation is critically analysed and questioned. The text addresses the question of how these images, which are part of the German colonial heritage and can still be found in museums, can be read today. Photographs of the so-called "South Sea Expedition" from the archive of the Museum am Rothenbaum -Kulturen und Künste der Welt (MARKK)
Rezension von Anna Henkel, erschienen im April 2016 bei soziopolis zu dem Buch von Katharina Block: Von der Umwelt zur Welt. Der Weltbegriff in der Umweltsoziologie, erschienen 2016 im Verlag transcript Die Soziologie ist, wie immer wieder betont wird, die Wissenschaft vom Sozialen. Zum Teil fiel oder fällt es der Disziplin aufgrund dieser Prämisse schwer, sich mit außersozialen Gegenständen wie Materialität, Technik oder der Natur zu befassen. Freilich kann man einwenden, dass sich bereits die Klassiker der Soziologie mit ebensolchen Themenbereichen durchaus beschäftigten, und spätestens seit den 1970er-Jahren ist die Relevanz von Materialität, Technik oder Natur für das Soziale offensichtlich geworden. In der Risikodebatte, wie sie sich etwa in Ulrich Becks Analyse der Risikogesellschaft niederschlägt, hieß es, ein spezifischer, gesellschaftlich kontingenter Umgang mit der Natur habe eine Entwicklung in Gang gesetzt, die der Gesellschaft die materielle Operationsgrundlage wegzureißen drohe 1 . Daraus ergibt sich eine durchaus schwierige Konstellation, von der die in dieser Zeit entstandene Umweltsoziologie nach wie vor geprägt ist: Einerseits befasst sie sich mit gesellschaftlich hochbrisanten Gegenstandsbereichen von umweltzerstörendem Konsumverhalten bis hin zum Zusammenspiel von Technik und Gesellschaft; andererseits muss sie stets zunächst klären, wie solche Fragestellungen denn zu konzipieren sind, damit sie als soziologisch relevant gelten. In diese Debatte bringt Katharina Block mit ihrer jüngst erschienenen Schrift Von der Umwelt zur Welt. Der Weltbegriff in der Umweltsoziologie eine bislang kaum thematisierte Dimension ein, um die impliziten Prämissen umweltsoziologischer Forschung kritisch reflektieren und zugleich mit einem eigenen konstruktiven Vorschlag verbinden zu können. Ihre zentrale These lautet, der Umweltsoziologie liege mit ihrem Kernkonzept der Umwelt eine normative Anthropologie zugrunde. Indem diese Anthropologie bestimmte Subjekt-Umweltverhältnisse voraussetze, verliere sie die Frage nach einem möglicherweise kontingenten Verhältnis von Subjekt und Umwelt aus dem Blick. Block schlägt daher vor, bisherige Begriffe der Umwelt zugunsten des Weltbegriffs im Anschluss an Helmut Plessner aufzugeben. Plessners Konzept erlaubt ihr, eine weiterführende Perspektive für die Umweltsoziologie zu erschließen und Der mechanistisch-naturalistischen Naturwissenschaft und der evolutionstheoretischen Ökologie stellt Uexküll eine Umweltlehre entgegen, die sowohl die Subjektivität von Wirklichkeit als auch die Anpassung des Lebendigen an die Natur beweisen soll. Block argumentiert nun, dass sich in der modernen Umweltsoziologie vergleichbare Positionen wiederfinden lassen. So folge die Rational Choice Theorie explizit einer evolutionstheoretischen Logik und Terminologie, wenn sie voraussetze, dass sich der Mensch grundsätzlich zweckrational verhalte, um sich zu behaupten. Nutzenmaximierung werde als substanzialistische Strategie des Menschen begriffen, weshalb langfristige Verantwortung für außerhalb der direkten Lebenswelt befindliche Aspekte nicht zu erwarten sei. Doch auch die Lebensstilsoziologie als zweite, konstruktivistische Position innerhalb der Umweltsoziologie basiere auf impliziten anthropologischen Annahmen, denn die Subjektivität sozialer Umwelten stehe explizit im Mittelpunkt. Indem sie Wirklichkeit als subjektive Erscheinung sehe, nehme die Lebensstilsoziologie eine analoge Haltung zu Uexküll mit seinen Ideen zum Funktionskreis ein, denn bei unterschiedlichen Lebensstilen würden auch die Objekte der Umwelt anders wahrgenommen. Diese Identifizierung der soziologischen Konzepte des Umwelthandelns und des Umweltbewusstseins mit den Positionen der Evolutionsbiologie bzw. der Funktionskreislehre nimmt Block als Ausgangspunkt für den Vorschlag, sich mithilfe des Weltbegriffs von der Vorstellung festgeschriebener Menschenbilder zu verabschieden. Der Möglichkeit, mit der Natur unterschiedlich umzugehen, könne nur Rechnung getragen werden, wenn der Mensch nicht durch implizite anthropologische Annahmen auf eine bestimmte Umgangsweise festgelegt werde. Um eine solche nicht-reduktive Anthropologie zu entwickeln, greift Block nun auf Helmuth Plessner zurück. Sie zeigt zunächst auf, wie stark Plessner bereits biografisch von Uexküll beeinflusst wurde. Jedoch gehe Plessner über Uexküll hinaus, indem er die "zentrische Positionalität" des Tieres von der "exzentrischen Positionalität" des Menschen unterscheide. Block zeichnet Plessners Ansatz in seiner aufeinander aufbauenden Argumentationslogik nach, wobei sie, ähnlich wie Gesa Lindemann, vor allem auf Die Stufen des Organischen und der Mensch 2 zurückgreift. Sie führt aus, wie Plessner das Lebendige kategorial bestimmt, um dann dessen unterschiedliche Bezugsmöglichkeiten zur Umwelt zu unterscheiden. Der Mensch zeichne sich dabei wesentlich durch seine Weltoffenheit aus: Zwar verhält sich auch das Tier zu seiner Umwelt, doch kann der Mensch dieses Sich-Verhalten zur Umwelt seinerseits reflektieren. Anders als das Tier ist er in der Lage, Objekte zu vergegenständlichen, 2 Helmuth Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Berlin 1928.
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